Mittwoch, 10. April 2013

„Oh Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“ „Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“ Und da hatten sie verdammt recht.


Es ist April und ich werde über Silvester schreiben. Seltsam irgendwie. Meine Tage haben zwar auch 24 Stunden, aber dafür keine Nacht. So erscheint es mir zumindest.
Also gut, Silvester.

Während mein Weihnachten dieses Jahr – oder besser gesagt, letztes Jahr – eher ‚schlicht‘ ausgefallen ist, was nicht zuletzt auf einen filmreifen Familienstreit zurückzuführen ist, war Silvester wiederum echt spannend.
So wurde ich am Morgen des 31. Dezembers erst mal von einer Horde Hunden angefallen, ich nehme an, ihnen hat meine Hose nicht gefallen. (; Aber außer einem riesigen blauen Fleck in der Kniekehle war zum Glück nichts zu sehen.
Edith beim ,,Daniel" basteln
Im Laufe des Tages saßen wir dann – es war übrigens auch Daniels Geburtstag - in der Wohnung von Ediths Bruder und haben eine lebensgroße Voodoo-Puppe gebastelt, die Daniel am Ende doch erschreckend ähnlich sah. (; Es ist hier nämlich Tradition, an Silvester solche Puppen zu basteln und sie Mitternacht, inklusive eines Testaments, auf der Straße zu verbrennen, denn dadurch soll für das neue Jahr alles Böse vertrieben werden. Jedenfalls hatten wir den zweiten „Daniel“ gerade fertig mit Zeitungspapier ausgestopft, als Edith plötzlich feststellte, dass ihre Armbanduhr verschwunden war. Dementsprechend wurde der arme zweite „Daniel“ dann noch mal ‚geschlachtet‘, bis ich dann zum Glück aus dem letzten Ende des Ärmels die Uhr herausfischen konnte. Jaja, das wäre wohl mit Abstand die teuerste Voodoo-Puppe gewesen. (;
Das ist aber noch lange nicht alles, was Ecuador an Silvester-Traditionen zu bieten hat. Denn da gäbe es noch die sogenannten „viudas“ – die „Witwen“. Ich amüsiere mich immer noch prächtig, wenn ich daran denke, dass sich Tena an diesem Tag, um es mal ganz spitz auszudrücken,  in eine Hochburg transsexueller Prostituierten verwandelt hat. Das soll heißen, dass sich ein paar hundert Männer als Frauen verkleidet und sich noch dazu richtig in Schale geworfen haben, um sich dann mit Federschal und Miniröckchen an die Strasse zu stellen und die vorbeifahrenden Autofahrer zu bezirzen. Fragt mich jetzt aber bitte nicht, warum. :D

,,Daniel" brennt dahin... (;
Den Abend habe ich dann mit meiner Familie bei Ediths Eltern im Zentrum verbracht und fleißig Masken, Perücken und Feuerwerk verkauft, bis es dann um Mitternacht so weit war und mit Feuerwerk das Jahr 2013 begrüsst wurde – auf dass es ein gutes ist/wird. (:
Mitte Januar bin ich dann mit Anna, meiner Mitfreiwilligen, zum berühmten Markt in Otavalo in der Sierra gefahren. Es ist einfach Wahnsinn, wie viele hübsche kleine und große Dinge man dort kaufen kann und das Ganze auch noch für wenig Geld. Die Sachen werden einem fast hinterhergeworfen und so kauft man dann plötzlich Dinge, die man eigentlich gar nicht haben wollte, die einem dann für einen so geringen Preis angeboten werden, dass man echt nicht mehr ‚nein‘ sagen kann. Und ich bin mir sicher, ich werde nach dem ersten und zweiten Mal auch ganz bestimmt noch ein drittes Mal nach Otavalo fahren und es wird immer noch wieder etwas Neues geben, bei dem ich einfach nicht ‚nein‘ sagen kann. (;
,,Laguna Cuicocha" in der Nähe von Otavalo
Und dann war Ende Januar auch schon das Zwischenseminar. Halbzeit. Manch einer mag sich gefreut haben, ich mich nicht.
So sind wir also mit Sack und Pack nach Chiriboga gefahren. Chiriboga – das ist ein kleines Dorf im Niemandsland, genau genommen drei Stunden außerhalb von Quito mitten in unendlichen Wäldern, Flüssen und Wiesen. Diese Landschaften zu schützen hat sich die Fundación Proyecto Ecológico Chiriboga zur Aufgabe gemacht, noch lange bevor die ersten Freiwilligen zum Englisch unterrichten vorbeigekommen sind.
Neben den Seminareinheiten zu den Themen Familie, Arbeit, Land, Leute und Co. haben wir vor allem gearbeitet. Körperlich. Wir haben Steine geschleppt, Wände verputzt, Pflanzen umgesetzt, Bäume bepinselt und und und. Das war nach einem halben Jahr pädagogischer Verzweiflung echt mal was anderes. (;
Mein Werkzeug, hehehe. (;
Wobei ich nicht wissen möchte, in welchem Stadium von Verzweiflung wir uns befunden hätten, wenn wir den Lastwagen mit dem Sand zum Zement anmischen nicht gerade so noch vor dem Umkippen in den Fluss hätten retten können. Das ist eben Ecuador pur. (;
Für mich war es während des Seminars auf jeden Fall interessant und lustig, zu sehen, dass die Freiwilligen quer durch das Land verstreut alle mehr oder weniger die gleichen Probleme hatten: eine Hand voll kleiner aufmüpfiger Äffchen, die gern auf Tischen und Stühlen klettern und Arbeitsblätter zum Frühstück vernaschen. (;
Um das Ganze noch mal etwas ernsthafter zu betrachten: Es ist wirklich nicht einfach, sich als junge/r Freiwillige/r vor eine Klasse zu stellen, ohne Ausbildung, ohne Material, ohne alles; und es ist anstrengend, immer wieder mit Kindern konfrontiert zu werden, die alles lieber tun würden, als zu lernen oder die aus Familien kommen, in denen Bildung und Erziehung im Allgemeinen einfach keinen Stellenwert hat und sie sich dann auch dementsprechend verhalten. Aber es lohnt sich. Es lohnt sich wirklich. Denn jedes Kind hat seine eigene Geschichte, in jedem Kind verbirgt sich der Wunsch nach Aufmerksamkeit, nach Lob und Zuspruch, vielleicht auch nach jemandem, der ihm mal ganz deutlich ‚nein‘ sagt. Und jedes Kind hat sein eigenes Talent, etwas, was es gern macht, etwas, was es gut kann. Es muss nur jemanden geben, der sich die Zeit nimmt, es zu suchen und zu finden.
Es gibt Kinder, die saugen neue Wörter auf, wie andere Leute Schokolade essen. Es gibt Kinder, die haben alle Aufgaben richtig gelöst, bevor ich überhaupt alle Arbeitsblätter ausgeteilt habe. Und es gibt Kinder, von denen manch einer sagen würde, dass bei ihnen außer ‚Good morning.‘ nichts hängen bleibt. Doch das ist nicht wahr, denn es ist nie ‚nichts‘, was hängen bleibt. Denn für mich ist es genauso viel wert, wenn ich sehe, wie einer meiner ‚besonderen‘  Schüler/innen wie ein Fisch durchs Wasser schwimmt, ich einem anderen beibringen kann, wie man ein Schiff aus Papier bastelt, ein anderer ganz ruhig und konzentriert ein Bild ausmalt, ein anderer lernt, dass, wenn man gelb und rot mischt, orange dabei herauskommt, wenn wieder andere, die mit dem vermittelten Wissen im Unterricht einfach nichts anfangen können, mir Basketballtechniken und Turnübungen im Sportunterricht beibringen, wenn ein Mädchen, das ich in der ganzen Zeit, die ich jetzt hier bin, nicht ein einziges Wort habe sprechen sehen, sich letztens in der Pause plötzlich lächelnd neben mich setzt und „Hola, Señorita.“ sagt…
Fiestas de Saquisilí
Nach dem zweiwöchigen Seminar bin ich dann über das Wochenende gemeinsam mit meiner Gastfamilie nach Saquisilí gefahren, denn dort fand ein Stadtfest zu Ehren der „Virgen (Jungfrau) del Quinche“ statt. Am ersten Abend wurde ein riesiges Feuerwerk veranstaltet. Das war so ziemlich das aufwändigste Feuerwerk, was ich je gesehen habe, die Vorrichtung, aus der die ganzen Lichter und Funken nur so sprühten, war bestimmt fünf Meter hoch. Danach wurde getanzt und alle zwei Minuten kam irgendjemand vorbei und hat mir ein Glas Schnaps oder Likör in die Hand gedrückt. Da muss man dann schon so seine Techniken entwickeln, um das nicht alles in sich hineinschütten zu müssen. (;
Am nächsten Tag war ich dann dabei, wie sie ein Rind erst getötet und dann geschlachtet haben – auf dem für alle zugänglichen Dorfplatz. Während dieses Blutbades ist mir dann noch einmal bewusster geworden, warum ich Langzeitvegetarierin bin. (;
Die Rinder, die freundlicherweise nicht geschlachtet wurden, durften dafür dann netterweise am Stierkampf teilnehmen. (; Wobei ich sagen muss, dass das so ziemlich der langweiligste Stierkampf gewesen ist, den ich je gesehen habe. Die Stiere standen einfach nur herum, ein paar Männer haben mit Bettdecken gewedelt und wenn der Stiere sich nur bewegt haben, um die Fliegen abzuschütteln, sind die Männer schon schreiend über die Absperrung geklettert – naja, hatte auch Unterhaltungscharakter. (;
Und danach hieß es URLAUB. Die Halbjahresferien dauern hier nämlich zwei Wochen. Aber bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht, wir, also alle Lehrer/innen und Schüler/innen mussten dafür, dass wir Heiligabend und Silvester frei hatten, die ersten beiden Samstage im Januar arbeiten. Das hätte ich ja gern gesehen, wenn man das in Deutschland auch nur vorgeschlagen hätte. (;
Aber zurück zum Urlaub. Ich bin eine Woche mit Alina, einer Mitfreiwilligen, die ecuadorianische Küste entlanggereist. Ich glaube, ich bin noch nie so viel Bus auf einmal gefahren. Zuerst ging es von Tena nach Quito, von Quito nach Santo Domingo und von Santo Domingo ging es dann weiter nach Canoa. Von Canoa dann in Richtung Norden nach Mompiche, von da aus nach Muisne, Cabo de San Francisco und schlussendlich nach Atacames, um von da aus wieder über Santo Domingo und Quito nach Tena zu fahren. Was für ein Ritt, aber es hat sich ganz bestimmt gelohnt!
Canoa ist ein aufstrebender Ort direkt an der Pazifikküste. So kam es auch, dass unser Hostel direkt am Strand lag und wir nur eine Minute brauchten, bis uns das Meerwasser um die Füße gespült wurde.
Mompiche
Während eines Spaziergangs haben Alina und ich dann eine schöne kleine Bucht entdeckt, an der außer uns echt niemand war und dort sind wir dann einfach den ganzen Tag geblieben: Blöd war nur, dass ich meine Sonnencreme nicht dabei hatte, was dann zur Folge hatte, dass ich mich in den darauffolgenden zwei Wochen ganzkörpergeschält habe. (;
In Mompiche war es ebenso schön. Das Highlight war dort auf jeden Fall die „Playa Negra“, ein Strand nur mit schwarzem glitzerndem Sand. Man muss ihn nur erst mal finden – denn wer würde sich schon, wenn er oder sie nicht wissen würde, dass das nur zur „Touristenabschreckung“ ist, einen Weg durch eine Steinlandschaft bahnen, in der alle zehn Meter Minenwahnungsschilder aufgestellt sind. (; Dementsprechend waren wir auch dort wieder ziemlich allein und haben es uns einen Tag gemütlich gemacht. Sommer, Strand und Sonnenschein – und das im Februar… (:
,,Playa Negra" - Mompiche
Von Mompiche aus ging es dann weiter nördlich nach Muisne, das aus einem kleinen Stück Festland, aber vor allem aus einer Insel besteht. Dort haben wir dann in einem Hostel übernachtet, was chaotischer nicht hätte sein können. Es gab keinen Schlüssel, kein Moskitonetz, wenn wir Leitungswasser für Dusche, Waschbecken und Toilette brauchten, mussten wir immer unten Bescheid sagen gehen. Aber im Grunde genommen war das genau richtig für uns beide Chaotinnen. :D Und die Besitzerin war so unglaublich nett, dass es uns das alles gar nicht gestört hat. Im Gegenteil, wir fanden es eher lustig. Vor allem als dann ein junger extrovertierter Mann kam, sich als Zimmermann vorstellte und uns ein Schloss an die Tür basteln wollte. Das Schloss war am Ende dran, aber es ging gerade so zu schließen und die halbe Tür war zertrümmert – ecuadorianische Maßarbeit eben. (; Naja, als wir dann zum Strand gehen wollte, stand unser Zimmermann dann in der Küche und hat Zwiebeln geschnitten… (;
,,Playa Negra" - Mompiche
Cabo de San Francisco
Am nächsten Morgen haben wir uns dann mit zwei anderen Freiwilligen getroffen, von denen eine uns das Küstendorf zeigen wollte, in dem sie das halbe Jahr zuvor gearbeitet hatte. Auch dort sind wir dann den Strand entlanggelaufen und haben dabei Muscheln gesammelt, die so groß waren, dass man sie fast mit zwei Händen nehmen musste. Weiter strandabwärts waren dann so große rötliche Felsen, dass man fast hätte meinen können, man hätte einen Abstecher nach Australien gemacht…
Bevor es dann wieder Richtung Tena ging, waren wir noch in Atacames, einer von großen sozialen Unterschieden geprägten Stadt ebenfalls Strand. Mir kam Atacames im Vergleich zu den anderen Küstenorten unglaublich groß du voll vor, was aber auch am beginnenden Karnevalsfest liegen kann und mit dem unwohlen Bauchgefühl, dass in Atacames und Esmeraldas, der Provinzhauptstadt, besonders viele Überfälle stattfinden. Wir haben uns dann einfach in den Park gesetzt, geplaudert und wurden nicht überfallen, Glück gehabt (;
Und dann ging es nach einer halben Ewigkeit wieder zurück ins heimische Tena. Heimisch, schon seltsam irgendwie…
Am 17. Februar fand in Ecuador übrigens die Präsidentschaftswahl statt, für deren Kandidaten seit Monaten unermüdlich Werbung gemacht wurde: Werbespots im Fernsehen, zuplakatierte Hauswände, Tag und Nacht durch die Gegend fahrende Autos, die mit einem Megaphon Propagandasprüche und –lieder verbreiten und mögliche Abgeordnete, die versuchen, mögliche Wähler mit T-Shirts und Süßigkeiten zu ködern. Im Vergleich zu Deutschland ist auf jeden Fall festzustellen, dass so einer Wahl in Ecuador deutlich mehr Wichtigkeit beigemessen wird. Es ist übrigens für jeden Ecuadorianer ab 18 Jahren Pflicht, zum Wählen zu gehen, denn wer nicht hingeht, bekommt kein Zertifikat, das zum Beispiel erforderlich ist, wenn man einen Kredit aufnehmen will. So kam es auch, dass in Ecuador an diesem Wochenende eine halbe Volkswanderung stattfand, denn, wer sich nicht explizit umgemeldet hatte, musste zum Wählen in seine Heimatstadt reisen…
Die arme Edith hatte übrigens das große Los gezogen und musste den ganzen Tag dasitzen und Stimmzettel entgegennehmen und diese dann bis spät in die Nacht auch noch auszählen. Das hat bestimmt Spaß gemacht. :D
Vom Urlaub zurück, erwartete mich erst mal Karneval. Das bedeutet dann so viel wie an jeder Straßenecke mit Wasser übergossen und danach von Kopf bis Fuß eingeschäumt zu werden. Klingt nicht gerade angenehm, aber kann bei den Temperaturen hier echt mal ganz angenehm sein. (;
Besonders viel habe ich von Karneval allerdings nicht mitbekommen, denn nach vierwöchiger Reiserei durch sämtliche Höhenlagen und Klimazonen des Landes hat mich die Erkältung besiegt und das dann einen ganzen Monat lang. Das war dann echt unschön, besonders wenn man nahezu stimmenlos gegen dreißig von Natur aus unruhige Schüler/innen anschreien soll und das Ganze dann alle zwei Minuten in einen Hustenanfall ausartet. Als dann auch noch Fieber dazukam, habe ich endgültig aufgegeben und bin erst mal eine Woche zu Hause geblieben. Erholung pur! (;
Meine Stubentiger... (:
Allerdings nicht ganz, denn da war ja noch der Babyboom. Zehn, es waren zehn. Vier Katzen, fünf Hunde und ein kleiner Mensch. Mein Kätzchen, das wenn überhaupt ein halbes Jahr alt ist, war auf einmal mit vier winzig kleinen Stubentigern unterwegs. Lulu, unser Golden-Retriever-Mischling, teilte sich den Liegeplatz vor der Waschmaschine auf einmal mit fünf unglaublich niedlichen wildschweinfarbenen Hundewelpen. Und die Nachbarin, die gleichzeitig Ediths Cousine ist, stand auf einmal mit einem Baby und ohne Mann da. Manchmal denke ich wirklich, es wäre das beste, Nonne zu werden. Dann würde einem zumindest hier einiges erspart bleiben.
Hundekatzenwollknäuel 
Mann denkt hier nämlich von Zeit zu Zeit, es wäre völlig normal, sich ein Harem zu halten. Oder auch die ganze Haushaltskasse in Bier zu investieren. Nur leider lässt Frau es auch immer noch mit sich machen. Ich muss zugeben, dass meine Toleranz bei dieser Ungerechtigkeit und Ungleichberechtigung langsam an ihre Grenzen stößt. Aber es bringt ja nichts, vielleicht ist die große Stunde der Frauen hier einfach noch nicht gekommen. Ich widme mich dann vorzugsweise dem Trösten und Rückenstärken, in der Hoffnung, dass Frau irgendwann so stark ist und sich aus den teilweise selbst gelegten Schlingen befreien kann.
Jedenfalls habe ich dann zwei Wochenenden mit Babysitten verbracht, während die Mutter, also unsere Nachbarin, in der Universität war. Das war auch mal eine Erfahrung, einen Tag und eine Nacht mit Milch anrühren, Fläschchen geben, Windeln wechseln, Spieluhr aufziehen und Kinderwagen schieben beschäftigt zu sein. Aber der kleine Kerl ist zum Glück ein ganz süßer. (;
Und dann kam auch schon Marlies – eine Freundin – aus Deutschland angereist. Ihr Gepäck bestand übrigens mindestens zur Hälfte aus Sachen für mich – Schokolade, hehehe. (;
Das war auf jeden Fall auch noch mal eine spannende Zeit für mich, vor allem, weil ich gesehen habe, dass es gar nicht so einfach ist, mein deutsches und mein ecuadorianisches Leben unter einen Hut zu kriegen – was man leider auch daran merkt, dass ich nur selten dazu komme, Blogeinträge zu schreiben…
So begann für mich im März jedenfalls noch mal ein zweiter Reise- und Abenteuermarathon! (;
,,Cavernas de Jumandy"
Zunächst haben wir allerdings in der unmittelbaren Umgebung angefangen und zwar bei den „Cavernas de Jumandy“, den Tropfsteinhöhlen, in denen ich im September schon mal gewesen bin. Das war einfach nur herrlich, denn in unserer Gruppe, in der wir herumgeführt wurden, war ein Frauenarzt um die 60, der ein paar Worte Deutsch sprach, weil er in den Achtzigern für zwei Jahre in Heidelberg studiert hat. Und dieser Mann war einfach so unglaublich lustig. Auf jeden Fall stellte er sich auf einmal neben einen der Stalagmiten und rief: „Oh, der sieht ja aus wie ein Penis, macht doch mal ein Foto!“ Er hatte jedenfalls während der ganzen Führung die Lacher auf seiner Seite. (;
,,Cascadas de las Latas"
In der darauffolgenden Woche sind wir zu den „Cascadas de las Latas“ gefahren, bei denen ich ebenfalls letztes Jahr schon einmal gewesen bin. Nach einer halbstündigen Wanderung durch Matsch und Gestrüpp standen wir also vor ihm, dem rund zwanzig Meter hohen Wasserfall, von dem das kristallklare Wasser auf uns hinabprasselte. Es ist echt Wahnsinn, was dieses Land so zu bieten hat.
Am Freitag, den 8. März wurde hier der „Tag der Frau“ gefeiert. Da haben sich die Herren echt mal Mühe gegeben. (; So wurden wir – die Lehrerinnen – von den Lehrern Freitagmittag zum Mehrgängemenü eingeladen, das war schon cool. (; Der Tag hat hier wirklich Bedeutung, das finde ich aber angesichts der sonstigen herrschenden Ungleichheit auch gut so.
Am Wochenende habe ich mir dann einen Wunsch erfüllt und bin von der Brücke in Baños 100 Meter in die Tiefe gesprungen. Pure Freiheit.

,,Pailón del Diablo"

Danach haben wir noch die sogenannte Wasserfall-Tour gemacht, auch wieder eine von diesen Aktivitäten, die in Deutschland nicht erlaubt wären – ein falscher Schritt und der „Pailón del Diablo“ (so heißt einer der Wasserfälle) hätte einen fünfzig Meter mit in die Tiefe gerissen…
Am Sonntag sind wir dann zur „Mitad del Mundo“ gefahren, ein bisschen auf dem Äquator spazieren gehen. (; Mitten auf einem großen Platz steht dort ein riesiges Denkmal, das von einer gelben Linie, dem Äquator, durchzogen wird. So ist es dann auch möglich, mit einem Schritt von der Nordhalbkugel auf die Südhalbkugel und wieder zurückzuhüpfen. Wir waren übrigens genau um 12 Uhr da, so dass wir fast keinen Schatten mehr hatten, das war schon beeindruckend zu sehen.
,,Mitad del Mundo"
Den darauffolgenden Freitag haben wir uns dann auf den Weg Richtung Cuenca gemacht. Nur blöd, dass wir schon morgens um kurz vor 5 Uhr da waren und plötzlich in ungewohnter Kälte standen. Wir sind dann einfach mal ein bisschen herumgeirrt, bis wir gegen 6 Uhr eine geöffnete Hostel-Tür entdeckt haben und einfach mal hereingeschlüpft sind. Jedenfalls hatten wir dann ein günstiges und vor allem schön warmes Zimmer im vierten Stock und konnten uns noch ein bisschen schlafen legen. Gegen 8 Uhr mussten wir aber schon wieder aufstehen, weil um 9 Uhr vom Terminal aus der Bus fuhr, mit dem wir zu den Inka-Ruinen von „Ingapirca“ in der Nähe von Cuenca fahren wollten. Das war auch ganz interessant, vom Hocker gehauen hat es mich allerdings nicht – ein paar Mauern und ein paar Steine eben. (;
,,Ingapirca"
Nachmittags haben wir uns dann noch ein bisschen Cuenca angeschaut. Das ist echt eine schöne Stadt und hat mit Tena mal wieder so gut wie gar nichts gemeinsam, wie gesagt, Ecuador kann unmöglich nur ein Land sein. (;
Das Problem war nur, dass in Cuenca am Wochenende irgendwie alle Museen geschlossen haben. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, weil in Tena ja stur sieben Tage die Woche alles offen ist und das bis spät in den Abend so bleibt. Naja, war aber nicht so schlimm, wir haben uns dann so die Stadt angeschaut, das war auch ganz hübsch.
Sonntagnachmittag haben wir dann beschlossen, nach Gualaceo zu fahren. Das ist in der Nähe von Cuenca und wird für seinen hervorragenden Sonntagsmarkt gelobt. Der war auch echt schön, nur schade, dass wir außer Bergen von Obst und Gemüse nichts anderes gefunden haben. Naja, dann haben wir uns in den hübsch blühenden Park gesetzt und ein bisschen unsere Reiseplanung fortgesetzt.
Am frühen Abend sind wir dann wieder nach Cuenca zurückgefahren, um von dort aus mit einem Bus nach Guayaquil zu fahren, von dort aus dann weiter nach Puerto López. Jedenfalls kam der Bus in Guayaquil aus irgendeinem Grund leider schon gegen 3 Uhr morgens an, der erste Bus nach Puerto López ging aber erst um 6:30 Uhr. Dann haben wir aber ausnahmsweise und in diesem Fall auch glücklicherweise mal auf die lustigen „Busschreier“, die einen immer davon überzeugen wollen, mit ihrem Bus zu fahren, gehört und sind dann nachts weiter nach Jipijapa gefahren, um von dort aus dann ins nahegelegene Puerto López zu kommen. Das Ganze hatte dann zwei Vorteile: Wir konnten noch weiterschlafen und wir waren letztendlich statt um 11 Uhr schon um 8 Uhr in unserem Hostel. Dort wurde uns dann gleich die Tour auf die „Isla de la Plata“, auch „Mini-Galápagos“ genannt, angeboten, und weil gerade so schönes klares Wetter war – was in der Regenzeit nicht unbedingt selbstverständlich ist - und es noch ein paar freie Plätze gab, haben die Chance einfach mal genutzt.
,,Isla de la Plata"
Um 9:30 Uhr ging es dann los und wir wurden zu zweit auf einem Motorrad zum Startpunkt gebracht. Das war echt Service, denn wir waren in dem Hostel gelandet, das der Mutter des Mannes gehört, der diese Tours anbieten. Wie praktisch, ich glaube, es war nämlich dann gleich auch noch billiger. (;
Vom Strand aus ging es dann los auf eine Art Yacht und da durften Marlies und ich, also die verkappten Erste-Klasse-Touristen, dann erst mal auf dem Deck sitzen, das war auch echt cool. (;
Blaufußtölpel
Die Insel hat mich ein bisschen an Griechenland erinnert. Und wir hatten Glück, dass wir gerade in der Zeitperiode da waren, in der alles schön grün ist. Es gab wahnsinnig viele verschiedene Pflanzen und man hatte das Gefühl, an einem Ort zu sein, an der Mensch noch nicht alles verändert und kaputtgemacht hat. (: Auf jeden Fall sind wir dann auf der Insel mit unserem Führer und unserer Reisegruppe, die aus einer Rutsche scheinbar schon recht bekannter und irgendwie lustiger Künstler aus der Nähe von München bestand, auf der Insel umhergewandert, um haben dann tatsächlich die für Galápagos bekannten Blaufußtölpel gesehen. Die haben wirklich ganz blaue Füße, als ob sie jemand angemalt hätte. Und vor allem, sie haben überhaupt keine Angst, sprich wir konnten richtig nah herangehen.
Schildkröte vor der ,,Isla de la Plata"
Danach sind wir dann wieder zu unserem Boot zurückmarschiert, um von dort aus zu versuchen, Schildkröten zu sichten. Die waren echt groß, aber vor allem niedlich. Wir waren ganz hin und weg. (;
Dann haben wir noch vor der Insel geschnorchelt und tatsächlich ein paar Fische aus ,Findet Nemo' wiederentdeckt, vor allem ganz viele blaue Dorie-Fische. (;
Und auf dem Rückweg sind wir mit dem Boot tatsächlich an einer Gruppe Delfinen vorbeigefahren. Besser hätte es einfach nicht laufen können. (:
Delfine
Am nächsten Morgen ging es dann mit der nächsten Tour weiter. So wurden wir dann auf einem kleinen Anhänger, der an ein Motorrad angekuppelt war, hin- und herkutschiert. Zuerst zu einer Comunidad, in der wir uns dann ein kleines Museum über die Zeitgeschichte des Machalilla-Nationalparks, in dem wir uns ja zu dem Zeitpunkt aufgehalten haben, angeschaut haben, und uns dann quer durch die Wälder führen lassen. Unter anderem auch zu einer Schwefellagune, die zwar nicht besonders angenehm riecht, aber gut für die Haut sein soll. Da durften wir uns dann noch mit einer Art Schlamm einschmieren, der dann trocknet und ebenfalls sehr gut für die Haut sein soll. Davon haben sie mir sogar noch was geschenkt, damit habe ich dann letztens Edith ein bisschen „verwöhnt“. (;
Schwefellagune ,,Agua Blanca"
Dann sind wir weiter zu einem Aussichtspunkt gegangen, von man echt unendliche Weiten von Wald überblicken konnte. Von dort aus sind wir dann wieder zu unserem Startpunkt im Dorf zurückgegangen, um da dann wieder mit unserem Motorradanhänger in die Nähe einer langen und schönen Strandpassage abgesetzt zu werden, die wir dann noch bewandert haben.
Nachmittags sind wir dann noch mit dem Bus nach Montecristi gefahren, dort gibt es die berühmten Panama-Hüte, die übrigens ursprünglich aus Ecuador stammen. Und es ist die Geburtsstadt von Eloy Alfaro, nachdem ja mein Viertel benannt ist. Montecristi ist echt ganz hübsch und es war der erste Ort, der mich mal ein bisschen an Tena erinnert hat. Gerade rechtzeitig, bevor es angefangen hat, zu regnen, sind wir in den Bus Richtung Manta gestiegen, um von dort aus weiter nach Quito zu fahren. Manta hat an sich keinen guten Ruf, sprich es soll gefährlich und hässlich sein, aber irgendwie waren da alle Leute so erstaunlich nett, von daher hat es mir da gar nicht so schlecht gefallen. (; Im Bus liefen dann erst mal alle Teile von „The Transporters“, herrlich wie immer. Wobei ich letztens mal dachte, ich höre nicht richtig, denn da lief auf einmal das deutsche „Supertalent“ auf Deutsch mit spanischem Untertitel. Es hatte da ja mal jemand aus Ecuador mit der Panflöte gewonnen und die Stelle haben sie gezeigt – war auf jeden Fall sehr lustig. (;
Kolibris in ,,Mindo Lindo"
Morgens früh sind wir dann in Quito angekommen und von da aus nach Mindo. Da sollte es eine Finca geben, auf der man sich ganz viele Vögel wie Kolibris anschauen kann. Da sind wir dann auch gut hingekommen, nur war dort irgendwie niemand aufzufinden. Egal, dadurch, dass alles offen war, sind wir dann einfach allein losgelaufen. Und weil, als wir zurückkamen, immer noch niemand aufzufinden war, haben wir einen netten Brief geschrieben und haben uns dann endgültig wieder auf Heimweg ins schöne Tena gemacht.
Mittwochabend sind wir dann gegen 23 Uhr zu Hause angekommen, nachdem es echt die ganze Busfahrt lang durchgeblitzt hat. Ich glaube, ich habe noch nie solche klaren Blitze gesehen. Dementsprechend hatte sich unsere Straße auch wieder einen schönen kleinen Fluss verwandelt - jaja, willkommen zu Hause. (;
Am Donnerstag war ich dann zum ersten Mal beim ecuadorianischen Zahnarzt  zum Glück aber nur als Ediths Begleitung, denn diesen Zahnarzt  hätte ich lieber nicht in meinem Mund herumfuhrwerken lassen: keine Handschuhe, keinen Mundschutz, und nebenbei Fernsehen gucken. Ich fand das echt unfassbar. Die Moral von der Geschichte war dann, dass Edith alle drei Provisorien, die sie ihr eingesetzt hatten, am selben Abend noch wieder herausgefallen sind. Herrlich. :D
Am nächsten Tag sind wir dann also wieder beim Zahnarzt vorbeigegangen, der selbst war allerdings nicht da, nur seine Frau. Was aber nicht hieß, dass sie nicht bei einem Mädchen noch die komplette Zahnspangendrahtundgummiwechselprozedur durchgeführt hat und auch Edith die abgefallenen Provisorien wieder einkleben wollte. Nun ja, dann stellte sich glücklicherweise heraus, dass sie selbst schon eine Jahre Zahnmedizin studiert hat und auf mich dann auch irgendwie deutlich kompetenter wirkte als ihr Mann - sie hat, während sie bei Edith im Mund zugange zumindest ‚nur‘ telefoniert und kein Fernsehen geguckt. (; Genutzt hat es alles nichts, den darauffolgenden Morgen waren schon wieder alle herausgefallen. Da kann man echt nur hoffen, dass die fertigen Prothesen besser halten...
Am letzten Wochenende mit Marlies haben wir noch Rafting gemacht. Das war echt toll! Wir sind morgens zu dem Hostel gegangen, von dem aus es losgehen sollte, wurden von da aus mit allem Equipment zur Startstelle im Fluss Jatunyacu („großer Fluss“) gebracht und wurden dort eingewiesen. Da wurde mir dann schon etwas mulmig, bei der Vorstellung, aus dem Boot in den reißenden Fluss mit den Steinen zu fallen. Aber ihr seht ja, ich habe es überlebt. (;
Der Mann, der uns angeleitet hat, war echt klasse. Ich würde schätzen, so um die 40 Jahre alt und absolut kompetent und professionell. Er hat immerhin schon an den Rafting-Weltmeisterschaften in Tschechien teilgenommen. (;
Das Rafting an sich hat auch total Spaß gemacht. Man sitzt in so einer Art großem Schlauchboot mit seinem Paddel in der Hand und macht das, was der Anleiter sagt, sprich vorwärts oder rückwärts rudern. Gelegentlich auch mal ins Bootsinnere zu springen, weil eine große Welle kommt – man stelle sich vor, in den Flüssen hier gibt es Wellen. (;
Rafting
Und weil wir ja mit Daniel zusammen los sind, hieß das für mich leider auch, in regelmäßigen Abständen mal eben so vom Boot ins kalte Wasser geschubst zu werden, juhu. (;
Gegen Nachmittag sind wir dann nach insgesamt 27 Kilometern flussabwärts paddeln in Puerto Napo angekommen und danach war ich echt müde.
Der nette Leiter hat uns übrigens dazu eingeladen, dass er uns an einem Wochenende mal für umsonst Kajak fahren und die Eskimorolle beibringt, das fänd ich ja auch echt cool. (;
Damit waren Marlies‘ knapp vier Wochen Urlaub in Ecuador auch schon wieder vorbei und für mich ging der ecuadorianische Alltag weiter.
Ende März war dann Karfreitag, für die Menschen hier auf jeden Fall ein wichtiger Feiertag.
Karfreitagsprozession
So hat sich abends halb Tena beim Krankenhaus versammelt und ist von dort aus die ganze Hauptstraße hinab bis ins Zentrum gezogen, während der Kreuzigungsweg Jesu dabei erschreckend real nachgestellt wurde. Sprich es gab einen Lastwagen mit leerer Ladefläche, der von einem Auto mit Lautsprechern verfolgt wurde – okay nicht sehr real, aber egal. (; An jeder er zwölf Stationen wurde angehalten und die Schauspieler haben die Situationen von damals nachgestellt. Der arme Jesus-Darsteller hat auch wirklich die ganze Zeit sein Kreuz getragen, es wird aber sicherlich um einiges leichter gewesen sein. (; Und er wurde am Ende auch wirklich daran aufgehängt. Sie hatten ihm aber netterweise was unter die Füße gestellt, sprich er ist dann nach einer halben Stunde gesund und munter wieder abgestiegen. Aber es war doch etwas gruselig, fand ich. (; Was ich aber noch beunruhigender fand, war, dass die ganzen Menschenmengen echt Loveparade-Charakter hatten. Und, was dem ganzen dann noch die Krone aufgesetzt hat, war, dass alle noch eine Kerze in der Hand hielten. Da kann man echt nur noch mit dem Kopf schütteln. Ich für meinen Teil möchte jedenfalls nicht wissen, wie viele Haarprachten an dem Abend in Rauch und Flammen aufgegangen sind. (; 

Letztes Wochenende habe ich dann die ultimative Geschäftsidee entwickelt: Topfkuchen aus Silikon-Backformen. :D Nachdem mich Oma Lola gefragt hatte, ob ich am Samstag bei ihr vorbeikommen könnte, um einen Kuchen zu backen, bin ich natürlich hingegangen. Ich war gerade am Wirtschaften, da kam einer von Oma Lolas Söhnen und fragte, ob ich denn für ihn auch einen machen könnte. Gut, also gleich zwei angerührt. Als ich dann gerade mit der Silikon-Backform am Gange war, kam ein netter, freundlicher Mann zu Oma Lola zum Essen und war ganz beeindruckt und blieb auch so beeindruckt, dass die Form dann tatsächlich nicht angebrannt ist. Ich habe ihm dann ein Stück von dem Kuchen geschenkt und er war so angetan, dass er mich nach dem Rezept gefragt hat. Als ich dann den zweiten Kuchen für Wilsons Bruder so schön zum Abkühlen stehen hatte, meinte er, ob er mir den Kuchen denn nicht abkaufen könnte. Wow, dachte ich. Und während der Rest der Familie am Kuchen probieren war und ich mich gerade daran machen wollte, den dritten Kuchen zu backen, der dann aber wirklich für Wilsons Bruder sein sollte, kam Marisol, Wilsons Schwester, und fragte, ob ich ihr nicht auch einen machen könnte. Gut, also wieder gleich den Teig für zwei Kuchen angerührt. Und als er dann fertig war und ich dann endlich den letzten der vier Kuchen, die ich an dem Tag gebacken habe, im Ofen hatte, hat mir Marisol für ihren Kuchen auch noch mal Geld in die Hand gedrückt. Da war ich ja dann mal richtig stolz drauf. (;
Apropos Kuchen, morgen – bei euch schon heute – ist schon wieder mein Geburtstag. Die Zeit rennt. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie der morgige Tag ablaufen wird. Davon werde ich dann beim nächsten Mal berichten – sollte ich mich an meine Vorsätze für das neue Lebensjahr halten – sogar schon diesen Monat. (;
Bis dahin Grüße und Küsse vom anderen Ende der Welt!

Samstag, 29. Dezember 2012

Ein Roman zum Jahresende...


Lang, lang ist es her, dass ich meinen letzten Blogeintrag verfasst habe, und umso schwerer fällt es mir jetzt, das ganze Erlebte der letzten Wochen in Worte zu fassen…

Zunächst eine kleine Zeitreise zurück in den Oktober.
Am 5. und 6. Oktober hat in Quito ein Treffen aller weltwärts-Freiwilligen in Ecuador stattgefunden, mit dem Ziel, die anderen Freiwilligen sowie ihre Projekte kennenzulernen, und die ersten Erfahrungen auszutauschen. Zudem haben wir den Botschafter der Deutschen Botschaft in Ecuador kennengelernt und einige Informationen zur Sicherheit bekommen.
Das erste, was mir aufgefallen ist, war die unglaubliche „Kälte". Wenn man einen Monat lang nur Temperaturen über 25°C hatte, können arktische 10°C schon ein ganz schöner Schock sein. :D Zum Glück gab es in unserem Hostel viele Decken…
Die beiden Tage waren auf jeden Fall interessant für mich und mir ist auch noch mal einiges klargeworden. Zum Beispiel, wie gut ich es in meinem ruhigen und beschaulichen Tena habe: Während ich abends um 23 Uhr allein im Dunkeln durch die Gegend gehen kann und das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass mir jemand „Hola preciosa!" (auf Deutsch so viel wie „Hallo Schöne!") hinterherruft, hatten einige andere Freiwillige, die in den Großstädten wie Quito arbeiten, schon ein paar bewaffnete Raubüberfälle hinter sich... Okay.
Abends hatten die Organisatoren die Darsteller von enchufetv eingeladen. Die machen echt lustige Videos mit wunderbar ironischen Situationen aus dem täglichen Leben. Wer mal hereinschauen möchte:
Ist allerdings auf Spanisch. (;

Am darauffolgenden Wochenende war ich mit Anna und Alina, zwei meiner Mitfreiwilligen, in Baños, einem beliebten Touristenziel mitten in den Bergen. 95% der Einwohner leben dort vom Tourismus und dementsprechend hat man auch fast mehr Touristen als Einheimische zu Gesicht bekommen.
Das Angebot an kleinen schönen Dingen, die man kaufen oder einfach nur anschauen konnte, war allerdings riesig, von bunten Figuren aus Leichtholz über handgeknüpfte Teppiche bis hin zu fein ausgearbeitetem Schmuck und Wollmützen mit Tiermotiven. Interessant war auch die Bonbonherstellung, die man an jeder Straßenecke beobachten konnte. Die besteht daraus, dass jemand eine zähflüssige Zuckermasse immer und immer wieder um eine Art Garderobenharken wickelt.
Nach einer ausgiebigen Einkaufsrunde sind wir abends mit einem Bus auf einen Aussichtspunkt gefahren, von dem aus man die ganze beleuchtete Stadt überblicken konnte. Danach waren wir noch in einer Bar mit wirklich guter Livemusik, die von einer Schweizerin geführt, aber hauptsächlich von Ecuadorianern besucht wird.
Das war auf jeden Fall ein schönes Wochenende. Aber ich möchte unbedingt noch mal nach Baños zurück, denn es gibt dort so eine Art Brückensprung 100 Meter in die Tiefe und die Idee, das mal zu machen, geht mir seitdem einfach nicht mehr aus dem Kopf… :D

Von meinen Blessuren von dem Sturz in das Loch in der Straße direkt vor unserer Haustür ist übrigens nicht zurückgeblieben. Von dem Loch auch nicht, denn das wurde unterdessen dann doch freundlicherweise mal zugeschüttet – was aber noch lange nicht heißt, dass nach über drei Monaten die Bauarbeiten mal beendet sind… :D
Dafür habe ich oder viel mehr mein rechtes Bein Bekanntschaft mit einem Stacheldrahtzaun gemacht. Wer kann auch ahnen, dass auf dem Grünstreifen zwischen zwei Bürgersteigen so eine „Todesfalle“ aufgestellt wird? :D
Naja, und eine Woche später bin ich dann bei dem überaus lustigen Spiel „Wie breche ich in mein eigenes Haus ein?“ mit meiner Hand an der Spitze unseres „Hochsicherheitstors“ hängengeblieben…  Das war es dann aber auch mit solchen kleinen Unfällen. (;

Am 27. Oktober war der 40. Geburtstag von Wilson, meinem Gastvater. Der wurde natürlich auch ausgiebig gefeiert, was dann ungefähr so ablief: Den Tag über waren Edith, Lola – ihre Schwiegermutter – und deren Schwester damit beschäftigt, massenhaft Essen zu kochen. Dann kam Rolando, ein Freund der Familie und so etwas wie der Technikexperte hier, mit seinem Musik-Equipment vorbei. Als dann alles soweit fertig war, kamen auch schon die Gäste. Und dann wurde geredet, gegessen, getanzt und vor allem Bier getrunken. Das war schon echt eine lustige Gesellschaft. (; Um vier Uhr morgens war dann allerdings folgendes Szenario zu beobachten: Diana und Daniel haben längst geschlafen, Edith war gegen 3 Uhr auch ins Bett verschwunden und Wilson selbst war unterdessen auf dem Sofa eingeschlafen. Ich war also die einzige Hausbewohnerin, die noch wach war. Das Problem war nur, dass die ganzen Gäste noch da waren, juhu. :D Um fünf Uhr sind dann glücklicherweise auch die Letzten gegangen, sofern sie dazu noch in der Lage waren. (;
Und um halb acht war ich dann schon wieder damit beschäftigt, das Chaos der letzten Nacht zu beseitigen, ich bin eben ein Arbeitstier. Aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht.

Am 2. November war der „Día de los Difuntos“, ein Feiertag, bei dem sich an verstorbene Freunde und Verwandte erinnert wird. Infolgedessen hatten wir ein langes Wochenende, das wir dazu genutzt haben, nach Deutschland zu fahren. Nein, natürlich nicht. (; Aber die glücklichen Kühe auf den grünen Wiesen, die großen Monstertrecker und Temperaturen um den Gefrierpunkt haben doch sehr an deutsche Verhältnisse erinnert. In Wirklichkeit waren wir aber in der Sierra, der Bergregion, genau genommen in Salcedo und Saquisilí, um verschiedene Verwandte von Edith und Wilson zu besuchen, unter anderem zwei der Großmütter, die beide auf die 90 zugehen. Die Lebensumstände waren recht einfach, was mich mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat, dass nicht alle Familien so gut betucht sind wie meine Gastfamilie, aber vielleicht auch gerade deswegen glücklicher und zufriedener wirken…
Da ja, wie gesagt, Allerseelen war, sind wir mit rund 15 Leuten zum Friedhof gefahren, um die Gräber von weiteren Verwandten zu besuchen. Der Anblick war für mich schon etwas gewöhnungsbedürftig, dass zwischen den hunderten von ungleichmäßig aneinandergereihten Gräbern mit weißen Kreuzen und goldener Schrift Verkäufer herumliefen, die lautstark versucht haben, bunte Luftballons und rosa Zuckerwatte zu verkaufen, während meine Gastfamilie und die anderen Leute, mit denen wir da waren, ein Bier nach dem andere getrunken haben, die Kinder auf den Gräbern herumgehüpft sind und sich zum Ausruhen mal eben an das nächste Kreuz gelehnt wurde. Nach einer Zeit kamen zwei Sänger mit einer kleinen Gitarre, die für die Verstorbenen Trauerlieder gesungen haben und danach sind wir dann auch wieder gegangen.
Ich bin dann, obwohl ich von der nächtlichen Reise und der ungewohnten Kälte wirklich müde war, zu einem Spaziergang aufgebrochen, quer durch Felder und Wiesen, an Kakteen und Kühen vorbei, an Schluchten entlang, mit einem Wahnsinnsausblick, nur etwas kalt war es. Am Ende des Weges habe ich dann eine Indígena getroffen, die gerade Kräuter auf einem Feld gehackt hat und habe mich kurz mit ihr unterhalten. Ich bewundere diese Frauen in den Bergen, die sich von nichts von der Arbeit abhalten lassen, bei Wind und Wetter auf den Felder arbeiten und das Ganze bis ins hohe Alter und dabei immer ein freundliches und ehrliches Lächeln im Gesicht haben.
Später sind wir dann zu Ediths Familie weitergefahren, die wiederum zwei kleine Häuser in Saquisilí hat. Meine Müdigkeit war unterdessen kaum noch auszuhalten, aber irgendwie gelingt es mir dann doch immer noch, irgendwo in meinem Körper ein paar Reserven aufzutreiben, vor allem, wenn wir uns auf einmal in Latacunga auf einem riesigen Fest im Stil des Stadthäger Krammarkts befinden, mit Schiffschaukel und allem Drum und Dran, nur noch viel größer. Ich bin dann mit Daniel mit der Schiffschaukel gefahren, allerdings in so einer Art Käfig am Rand, wo man wieder sagen müsste, dass es in Deutschland garantiert nicht erlaubt wäre. Aber Spaß gemacht hat es trotzdem. (;
Am nächsten Morgen haben wir dann noch ein paar andere von Ediths Verwandten besucht und sind auf eine Wiese gegangen und haben eine Art Kirschen gepflückt, schon wieder fast wie in Deutschland. (;
Danach war es dann noch mal richtig schön. Wir, also Edith, Wilson, Daniel, Diana und ich, sind mit dem Taxi – ich verstehe unterdessen, warum hier alle sechs Monate ein Satz neuer Reifen gekauft werden muss, die Straßen sind echt extrem :D – in den Nationalpark „Llanganates“ gefahren, mit einem kleinen Wasserfall, Lagunen und endlichen Weiten an Wiesen und Hügeln. So etwas würde man vielleicht eher in Skandinavien erwarten und es fühlte sich wegen der, ich kann es nur wieder betonen, Kälte auch mehr danach an, aber Ecuador ist schon zu Recht für seine zahlreichen Facetten bekannt. (:
Schließlich haben wir uns dann auf den Heimweg gemacht. Und da habe ich mir zum ersten Mal ernsthafte Sorgen um die Verkehrssicherheit gemacht. Unser Licht war schlecht, ich war wie immer nicht angeschnallt, die Straßen waren holperig und es gab ständig solche fiesen Hügel, die die Leute dazu bringen sollen, langsamer zu fahren. Jedenfalls hat Wilson einen davon übersehen und wir haben uns alle so richtig schön den Schädel eingeschlagen. (; Und mit über 100 Stundenkilometern unangeschnallt durch die Straßen zu heizen ist schon echt gewöhnungsbedürftig. Aber wir haben es ja alle überlebt… (;
Und pünktlich, als wir zu Hause angekommen sind, hat dann erst mal das Auto gestreikt und wir mussten eine Runde anschieben. :D Wobei wir das hier jetzt schon öfter gemacht haben. Aber bei den Straßen hätte ich, wenn ich ein Auto wäre, auch keine Lust mehr. (;

Zurück in Tena hat gleich das nächste Abenteuer begonnen: die „Fiestas del Tena“. Das heißt, dass sich Tena für eine Woche in Erinnerung an die Stadtgründung in ein schier endloses Fest verwandelt.

Zu Beginn war am Donnerstag „Pregón“ in Tena, ein riesiger Umzug, wo so ziemlich alle Schulen in Tena und Umgebung und auch einige andere Institutionen angeführt von einem geschmückten Auto auf der „Calle Principal“ einen extra dafür einstudierten Tanz aufführen. Ich war schon fast ein bisschen stolz auf meine Sechs- und Siebtklässler aus San Antonio, wie sie mit ihren wallenden Kleidern und weißen Hüten über die Straße geschwebt sind. Da war ich dann auch nicht mehr böse, dass drei Wochen lang die Hälfte meiner Englischstunden dem Tanzunterricht geopfert worden waren. (;

Am Freitagabend war die „Elección de la Reina“, das ist so etwas wie die jährliche Krönung zweier Schönheitsköniginnen, einmal die „Reina del Tena“ für Tena allgemein und einmal die „Guayusa Warmi“ speziell für die Indígenas. Das Ganze hat sich bis halb drei nachts hingezogen und es war für die Kandidatinnen echt hart, denn sobald den Zuschauern etwas nicht gefallen hat, haben sie das sofort lautstark deutlich gemacht. Ich habe auf jeden Fall bis zum Ende durchgehalten, während Diana ab 22 Uhr auf der Bank neben uns geschlafen hat und Edith ab 24 Uhr schlafend an meinen Beinen gelehnt hat. (;

Trotz der kurzen Nacht habe ich Edith am Samstag auf ein für sie vorgeschriebenes Seminar zur Aufklärung und Prävention von Missbrauch von Kindern und Jugendlichen begleitet. So konnte ich mich an diesem Tag zumindest vor der überaus netten Frau von den Zeugen Jehovas drücken, die mich jeden Samstag mit Hilfe des „Wachturms“ davon zu überzeugen versucht, dass der Mensch ewig leben könne und dass auch gerade das mein innigster Wunsch sei… :D
Das Seminar war auf jeden Fall echt interessant und greift ein Problem auf, was sowohl hier als auch in Deutschland oft totgeschwiegen wird. Ich hoffe, dass in Zukunft mehr Menschen den Mut finden, bei einer solchen Situation nicht wegzusehen und einzugreifen, auch wenn oder gerade weil es innerhalb der Familie ist…

Abends waren Daniel, Diana, Edith und ich auf einer Art Kirmes und danach bis ein Uhr nachts auf einem Konzert im Stadtzentrum, mal wieder umsonst, wie so vieles hier. Zum Beispiel war ich in der Woche darauf mit ein paar Schülerinnen und Schülern aus den fünften und sechsten Klassen in einer Art Zirkus, der ebenfalls keinen Eintritt gekostet hat.

Was mich ebenfalls überrascht, sind die Preise für Gerichte in Restaurants. Was würde man wohl in Deutschland für einen halben Liter Guayusa-Tee, Tomatencremesuppe, einen großen Teller mit Reis, Zunge (die habe ich natürlich nicht gegessen ;)), Tomaten und Nudelsalat mit Apfel und Ananas und zum Nachtisch Banane mit Sahne- und Schokokekshaube bezahlen? Hier waren es ganze 2,25$...

Am 15. November, dem eigentlichen Gründungstag Tenas, war dann der krönende Abschluss: der „Baile Ecuador“, ein großes Fest im Zentrum mit vielen Sängern und Bands ganz verschiedener Musikrichtungen. Eigentlich wollte ich mich mal wieder drücken, aber ich bin dann doch mit, denn Ediths Mutter hat dort, wohlbemerkt als einzige, Bier verkauft und Edith und Daniel wollten helfen und da dachte ich mir, dass ich mich dann vielleicht auch nützlich machen könnte. Das war ohne Zweifel der richtige Gedanke, ich kann gar nicht sagen, wie viel Flaschen Bier ich an diesem Abend in Becher gefüllt habe. Aber es war auf jeden Fall amüsant für die Leute, dass eine „Gringa“ beim „Baile Ecuador“ Bier verkauft. Hat aber echt Spaß gemacht. :D

Dann muss ich unbedingt noch mal von den ganzen Bekanntschaften mit Ärzten erzählen, die ich hier schon gemacht habe. Zur Beruhigung, ich selbst war noch nicht einmal beim Arzt, ich begleite aber immer fleißig Edith, der es gesundheitlich nicht ganz so gut geht. Jedenfalls tut es mir immer schon ein bisschen Leid, dass die Ärzte sich immer fünf Minuten Zeit für sie nehmen und danach immer die Frage kommt, wer denn ihre „nette Begleitung“ sei… (;
Auf jeden Fall sind die Ärzte hier immer echt lustig und charismatisch und machen einen Witz nach dem anderen. Und es ist schon echt spannend, sich mal so eine Computertomographie in Ecuador anschauen zu können.
Naja, aber als ich dann allein in das große Krankenhaus gehen sollte, mich auf dem Weg zur Radiologie an den Betten der Patienten, die auf dem Flur geparkt wurden, vorbeischlängeln musste, mit dem Auftrag, einen Termin für Edith zur Besprechung der Ergebnisse der Bilder zu machen und der Arzt mit wunderbar undeutlichem Küstenspanisch mir statt eines Termins einfach die Bilder mitgeben wollte, war ich dann doch leicht überfordert… :D

Am 25. November war ich mit Edith bei der „Caminata“, das ist so eine Art Pilgerweg von Archidona nach Cotundo zu Ehren der „Virgen del Quinche“, einer Jungfrau, die von den Katholiken hier verehrt wird. Und nach zweieinhalb Stunden Gehen bei Dauerregen war ich schon stolz, als wir mit rund 500 Leuten in Cotundo angekommen sind.

Im Hinblick auf meine Arbeit in der Schule habe ich übrigens einiges verändert: Die beiden achten und neunten Klassen in Muyuna habe ich abgegeben. Nach zwei Monaten erschien es mir nur noch als Zeitverschwendung und die Zeit hat mir wiederum an anderen Stellen gefehlt. Um den Schülerinnen und Schülern, die wirklich Englisch lernen möchten, aber nicht die Chance dazu zu nehmen, gebe ich momentan zusätzliche Stunden nach Schulschluss und bin eigentlich ganz zufrieden damit.
Dementsprechend habe ich auch die Tage getauscht, so dass ich jetzt immer montags, mittwochs und freitags in San Antonio und montags nachmittags, dienstags und donnerstags in Muyuna bin.
Die Arbeit macht mir immer noch Spaß, wobei es schon schwierig ist, zu sehen, dass einige bereits Sätze bilden und so viele Wörter beherrschen, dass man es als Wortschatz bezeichnen kann und andere immer noch fragen, ob sie denn bei „My name is ________.“ ihren Namen oder das Datum hinschreiben sollen…

Ansonsten bringt mich so schnell nichts mehr aus der Ruhe. Ich schreie gegen den Platzregen an, der unermüdlich auf das Wellblechdach des Klassenraums prasselt, ich renne mit den Fünftklässlern um den Sportplatz, damit sie hinterher zu geschafft zum Nerven sind, ich male 25 Weihnachtsbäume in 25 Englischhefte, weil die Kinder meinen, ich könnte das ja viel besser als sie, ich höre mir Vorträge sauberes Wasser und Selbstvertrauen an, die an sich wirklich interessant und auch wichtig sind, nur leider prinzipiell in meinen Englischstunden liegen, und wenn ich die Kinder endlich dazu gebracht habe, sich hinzusetzen und ihre Aufgaben zu machen, philosophiere ich darüber, welche politische Einstellung wohl die Eltern von Bolívar Stalin vertreten…

Die Schultage beginnen noch immer mit der täglichen Aufstellung auf dem Hof, die neben der Morgengymnastik und dem Beten auch immer öfter dazu genutzt wird, zu erklären, dass man die Lehrerin bitte nicht aus Versehen mit einem Schuh abwirft, dass man dem Lehrer nicht einfach die Brötchen aus der Tasche klaut, dass man den Müll bitte nicht überall liegen lässt oder dass man bitte nicht so viele Limonen mit Salz isst, bis das Blut verklumpt… Ihr seht, es wird auf jeden Fall nicht langweilig hier. (;

Interessant war im November übrigens auch die Wahl der Schülerregierung. Während in Deutschland die Klassensprecherwahl oft so abgelaufen ist, dass gefragt wurde: „Wer will?“, „Du?“ „Seid ihr alle damit einverstanden?“, „Ja?“, „Gut, herzlichen Glückwunsch, dann bist du es jetzt.“, ist das Ganze hier bei weitem ein größerer Akt. Die Schülerinnen und Schüler, die in der Regierung mitarbeiten möchten, müssen ein Programm ausarbeiten, das verschiedene Bereiche wie beispielsweise Sport oder Gesundheit an der Schule abdeckt. Es gibt dann zwei Listen mit Kandidaten, die zur Wahl stehen, das heißt, die Schülerinnen und Schüler können sich entweder für die Liste A oder die Liste B entscheiden. Der Kopf einer Liste ist immer der Präsident oder die Präsidentin. Nach der Wahl findet eine richtige Veranstaltung zur Amtseinführung statt, die gleichzeitig mit einem Sportfest verbunden wird. Und wer zum Präsidenten oder zur Präsidentin gewählt wird, hat dann wirklich große Aufgaben vor sich, wie zum Beispiel vor Hunderten von Leuten auf der Weihnachtsfeier zu sprechen und so weiter. Und wir sprechen hier nicht von 16-Jährigen, sondern von Kindern zwischen 8 und 11 Jahren. Der Präsident, der es in San Antonio letztendlich geworden ist, macht seine Sache übrigens echt gut und freut sich immer, wenn ich ihn morgens beim täglichen Händeschütteln mit „Good morning, Mister President!“ begrüße. (; Erst neulich musste er sich als Frau verkleiden und den ganzen Tag in der Schule mit einer Puppe im Arm herumlaufen und nach Geld fragen. Einfach nur herrlich. :D

Und dann war plötzlich schon Dezember und damit Weihnachtszeit. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Denn die Weihnachtsmusik dröhnte schon seit Oktober aus den Lautsprechern und die Massen an kitschiger Weihnachtsdekoration, Keksen und Rocher-Schokolade (!) war ab Oktober ebenfalls dauerpräsent. Und ich dachte, das wäre nur in Deutschland so… :D
Ab Dezember fand ich es aber doch ganz schön, vor allem, mit Diana und Edith den kleinen niedlichen Plastikbaum zu schmücken… (;

Was neben dem Weihnachtsbaum aber mindestens genauso wichtig ist, ist die Krippe, die in keinem Haushalt fehlen darf. Die besteht meist aus künstlichem Moos, einem kleinen Haus und ganz vielen kleinen Figuren, die Maria, Josef, die Könige, die Hirten, Schafe, Esel und so weiter darstellen. Es gibt sogar richtige Wettbewerbe, wer die schönste Krippe gestaltet.

Besonders in den Kirchen sind die Krippen besonders groß und besonders schön. Was ich allerdings noch viel eindrucksvoller als die Krippe in der Kirche bei uns um die Ecke fand, war der Pfarrer, den ich erst gar nicht als solchen erkannt habe. Ich war nämlich mit Edith in der Kirche, um eben die besagte Krippe anzuschauen, als uns auf dem Rückweg ein sportlicher Mann in Trikot um die 40 entgegengejoggt kam und sich angeregt mit uns über alles Mögliche unterhielt und ich dann dachte, es wäre ein Scherz, als sich dieser Mann zum Ende des Gespräches als „Padre Victor“ vorstellte. :D Wie auch immer, er war mir schon sympathisch, als er Edith fragte, ob sie denn mit ihrer Tochter unterwegs sei – okay, könnte vielleicht daran gelegen haben, dass es schon dunkel war, aber egal. :D Dann meinte er, ich würde ja schon so gut Spanisch sprechen, da war er mir gleich noch sympathischer, und als er dann sagte, dass ich gern mal in der Kirche zum Klavierspielen vorbeikommen könnte, hatte er mich dann wirklich von sich überzeugt. (; Das Klavierspielen gehört nämlich zu den wenigen Dingen, die mir hier wirklich fehlen…

Der Dezember ist hier für die Kinder ohne Zweifel auch der Monat der Süßigkeiten. So fährt zum Beispiel der Bürgermeister zu jeder einzelnen Schule in der Umgebung und schenkt jedem einzelnen Kind eine Tüte mit den verschiedensten Süßigkeiten. Da die meisten Kinder hier aber absolut nicht verwöhnt sind, sind sie so begeistert gewesen, dass sie fast alles auf einmal gegessen haben. Naja, und daraufhin hatten wir nur noch Kinder mit Bauchschmerzen…(;

Am 20. Dezember war dann Ediths Geburtstag. Und weil mir die traurige Antwort auf die Frage an Wilsons Geburtstag, ob  es denn für sie an ihrem Geburtstag auch so einer Feier geben würde und sie nur „Nein, das haben sie noch nie gemacht.“ sagte, nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist, habe ich das dieses Jahr einfach mal selbst in die Hand genommen. Wobei, „einfach“ ist an dieser Stelle vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck… (;
Jedenfalls habe ich mit Laura, einer Mitfreiwilligen, die mit Edith an derselben Schule arbeitet, und ihrem Freund, der sie gerade für einen Monat hier besucht, einen wahren Partyvorbereitungs- und Ausführungsmarathon hingelegt – und zwar ohne, dass Edith selbst auch nur die leiseste Ahnung hatte. :D Morgens um 9 Uhr ging es los mit Einkaufen für die rund 20 heimlich eingeladenen Gäste, danach hieß es Chaos beseitigen, denn meine Chaotenfamilie hat leider die schlechte Angewohnheit, alles überall herumliegen zu lassen – ihr glaubt nicht, wie oft ich schon Ediths Handy anklingeln musste, um es dann wiederum aus irgendeiner Sofaritze, der hintersten Schrankschublade oder dem Wäschekorb zu fischen. :D
Daraufhin waren dann Pizza und Kuchen dran. Ich kann mich gar nicht dran erinnern, wie viele Bleche Pizza an diesem Tag erst belegt, dann in den Ofen geschoben, dann gebacken und dann auch schon wieder aufgegessen wurden. (;
Jedenfalls waren wir pünktlich um 15:30 Uhr fertig, aber von den Gästen oder dem Geburtstagskind war keine Spur zu sehen. Naja, ecuadorianische Pünktlichkeit eben. (;
Irgendwann haben sich dann aber doch alle erbarmt, zu kommen und was soll ich sagen? Nach ein wenig anfänglicher Trägheit hat sie unsere Party in den absoluten Knaller verwandelt! Die Leute haben blecheweise unsere Pizza gegessen, literweise Bier getrunken und stundenlang zu der Musik, die aus dem Riesenlautsprecher kam, den uns netterweise der Nachbar geliehen hatte, getanzt, als gäbe es kein Morgen mehr. Wobei der Gedanke gar nicht so abwegig war, schließlich sollte ja am 21. Dezember die Welt untergehen. Naja, ist sie dann zwar doch nicht, aber es wäre auf jeden Fall ein würdiger Abschluss gewesen. (;
Kurzum, unsere Party ist gelungen. Und was mich am meisten gefreut hat, war, zu sehen, wie glücklich Edith an diesem Abend war. Nur schade, dass sie sich am nächsten Morgen nur noch sehr lückenhaft erinnern konnte… (;

Und dann war auch schon Weihnachten, sofern man das denn so nennen kann. Pralle Sonne, 30°C, ich hüpfe mit Top und kurzer Hose an grünen Palmen vorbei und fühle mich, als wäre Hochsommer, bis mir plötzlich in voller Lautstärke „Jingle Bells“ entgegenschallt. Okay.
Zumindest die Nachricht, dass es in Deutschland das wärmste Weihnachten seit langem war, hat mich im Hinblick auf meinen Schnee- und Kälteentzug ein bisschen milde gestimmt.
Das Essen konnte mit dem deutschen Weihnachtsessen aber auf jeden Fall mithalten. Es gab eine riesige Pute aus dem Ofen, von der meine Familie drei Tage lang gegessen hat, Reis und Gemüse.
Die Weihnachtsgeschenke wurden mir zu Liebe vor dem Auspacken noch unter den Plastikbaum gelegt. Hier ist es sogar nicht unüblich, dass die Kinder ihre Geschenke schon ein paar Tage vorher bekommen, nämlich gleich dann, wenn sie sich so gut wie alles im Geschäft selbst ausgesucht haben. Das finde ich persönlich ein wenig schade, denn so geht ja sämtliche Vorfreude und Spannung, was sich nun in dem bunten bedruckten Papier befindet, verloren bzw. kommt gar nicht erst auf.

Weihnachten war für mich dieses Jahr also recht unspektakulär, wobei sich natürlich die Frage stellt, was man überhaupt als „unspektakulär“ bezeichnen kann, wenn man sich gerade für ein Jahr am anderen Ende der Welt befindet…

So neigt sich das Jahr 2012 also dem Ende zu, ein Jahr, das sich am besten damit zusammenfassen lässt, dass es nicht zusammenzufassen ist. Es ist ein bisschen wie ein Baum, aus dessen Stamm auf einmal ganz viele verschiedene Äste und Zweige abgehen, es gibt mehr nur noch diesen einen Weg, sondern unendliche viele, und jeder Einzelne von uns steht nun vor der großen Aufgabe, den für sich richtigen darunter zu finden…

Meine Lieben, ich hoffe, ihr hattet schöne Weihnachten und ich wünsche euch vom anderen Ende der Welt aus einen ganz tollen Start ins neue Jahr – ihr dürft ja schon sechs Stunden früher als ich die Sektkorken knallen lassen… (;